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Weidmannslust statt Rechtstreue?

Der Fortschritt der 2015 erlassenen hessischen Jagdverordnung zeigt sich vor allem in ihrem neuen Umgang mit dem Niederwild. Es darf nur noch dort erlegt werden, wo ausreichende Bestände nachgewiesen sind. Doch Teile der Jägerschaft scheint das nicht zu interessieren. Der Verdacht steht im Raum, dass sie die Verordnung ignorieren.

Als erste Art ging man den Feldhasen an, der ab Frühjahr 2016 von den Hegegemeinschaften, die ihn bejagen wollten, auch gezählt werden musste. Nur wer zählt, hat die Chance zu schießen – so die klare Ansage. Dabei war dem Landesjagdverband wichtig, dass diese Hasentaxation von den Jägern im Alleingang betrieben werden durfte. Revierfremde Experten und vor allem irgendwelche Naturschützer sollten ferngehalten werden. So wurde es denn auch von der Obersten Jagdbehörde angeordnet. Die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse sollte allerdings von Biologen der Uni Gießen überprüft werden. Bisweilen auch durch Stichproben vor Ort. Aus Mitteln der Jagdabgabe wurden die nötigen Scheinwerfer angeschafft und an Hegegemeinschaften mit Hasenvorkommen verteilt.

Feldhase (Foto: ÖJV Bayern)

Die Frühjahrszählung 2016 war eher lückenhaft, da der entsprechende Umsetzungserlass sehr spät ergangen war. Für die Jagdzeit der Feldhasen 2016 wurde daher nur die Herbstzählung herangezogen und daraus rein rechnerisch ein Zuwachs ermittelt, aus dem sich die jeweiligen Abschusszahlen ergaben. Aber 2017, das war klar, sollten die zwei jährlichen Taxationen im Frühjahr und im Herbst unabdingbare Voraussetzung der Hasenjagd werden, denn nur so ist der Zuwachs des Bestandes realistisch zu ermitteln.

Die Jagdzeit 2017 rückte heran, doch die notwendigen Zahlen waren unvollständig. Von den 240 Hegegemeinschaften mit Hasenbesatz hatten etliche nicht geliefert. Offenbar hatte man sich dort zum Jagdverzicht entschlossen. So jedenfalls die Vermutung der Obersten Jagdbehörde im Umweltministerium, die sich als Trugschluss erweisen sollte.

Im Frühjahr 2018 gingen dann nach und nach die Streckenmeldungen des Jagdjahres 2017/18 beim Ministerium ein. Bald stellte sich heraus, dass 82 Hegegemeinschaften zwar erlegte Feldhasen gemeldet hatten, aber von dort keine Zählergebnisse vorlagen. Da war die Oberste Jagdbehörde dann doch verdutzt und beschloss sogleich, die Unteren Jagdbehörden bei den Jägern nachfragen zu lassen. Wurde da zwar gezählt, die Ergebnisse aber nicht weitergemeldet? Oder hat man sich die Zählerei einfach gespart und war „ohne“ auf Hasenjagd gegangen? Einfache Fragen, deren Beantwortung aber auf sich warten lässt. Auch heute noch.

Etliche Kreisjagdbehörden baten um Aufschub der Nachfrage, da sie überlastet seien, andere rührten sich überhaupt nicht. Fatale Folge der „Kommunalisierung“, die die Unteren Jagdbehörden bei den Landkreisen in deren Verwaltungsstruktur überführt hatte. Die Jagdaufsicht im Ministerium kann sie nicht mehr direkt anweisen. Nachfragen von dort werden als „Bitte“ angesehen, der man entsprechen kann – oder auch nicht. Immerhin hofft man nun im Ministerium, dass bis zum Spätjahr endlich Auskünfte auflaufen. Wenn auch nur lückenhaft, wie zu vermuten.

Was aber könnte Jägern blühen,
die nicht zählen, aber trotzdem Hasen schießen?

Die nüchterne Antwort: Schlichtweg nichts!

Zwar verlangt § 3(3) der HJagdV unmissverständlich, dass die „Bejagung nur so erfolgen“ darf, „dass sich die Strecke bei ausreichenden Besatzdichten im Rahmen des jährlichen Zuwachses bewegt“. Sie setzt also eine Bestandserhebung voraus. Doch die Verfasser der Verordnung haben keinerlei Ahndung von Verstößen eingebaut. Wer sich nicht an ihre Bestimmungen hält, bleibt ungeschoren. Ein zahnloser Tiger.

Das wirft natürlich weitere Fragen auf. Wie werden die Jäger mit dem Monitoring anderer Niederwildarten umgehen? Angesagt sind derzeit Stockenten und Rebhühner. Letztere könnten ja 2020 wieder jagdbar werden. Vorausgesetzt, es werden bis dahin „ausreichende Besatzdichten“ ermittelt. Daraus wird wohl nichts werden, wenn sich Teile der Jägerschaft verweigern. Dem Rebhuhn kann das nur recht sein.

19.09.2018/Hannes Dursch-Dewald