Waschbär-Mobbing soll Fallenjagd retten

Waschbär Copyright Julia Hy-KellerSeit Monaten betreiben die traditionellen Jagdverbände die massive Dämonisierung des Waschbären. Mit den selbstgestrickten Zahlen ihrer Mitglieder propagieren sie die anwachsende Invasion eines räuberischen Fremdlings, der über kurz oder lang die vertrauten Arten der Kulturlandschaft liquidiert haben wird. Zeit für die Wissenschaft, diesem Kleinbären-Mobbing die Ergebnisse ihrer Forschung entgegen zu setzen.


Dr.Ulf Hohmann, Wildbiologe an der Forschungsanstalt für Waldökologie des Landes Rheinland-Pfalz, ist einer der führenden Waschbär-Experten in Deutschland. Hohmann sieht die Diffamierungskampagne der Traditionsjäger vor allem als politische Strategie, um die Fallenjagd für unverzichtbar zu erklären. „Es gibt in vielen Bundesländern Bestrebungen, bei der Reformierung der Landesjagdgesetze die Fallenjagd zu reglementieren“, so Hohmann in der „Badischen Zeitung“.(1) „Da ein Drittel der Waschbären mit Fallen gefangen wird, kommt den Jägern die Warnung vor der unkontrollierten Ausbreitung der Tiere gut zupass“, so Hohmann weiter. „Auf diese Weise wollen sie Argumente ins Spiel bringen, um sich gegen Einschränkungen bei der Fallenjagd zu positionieren.“

Stinkfauler Allesfresser

Die angebliche Gefährdung der Artenvielfalt durch die Kleinbären ist für den Biologen nicht bewiesen. Hier sei die Forschungslage „noch zu dünn“. Doch habe gerade ein Doktorand Mägen und Kotproben von Waschbären untersucht: „Dabei wurde die bisherige Ansicht bestätigt, dass er ein stinkfauler Allesfresser ist. Er holt sich das, was am leichtesten zu haben ist. Das sind in der Regel Regenwürmer, Insekten, Kirschen oder Himbeeren. Natürlich kann er auch für bedrohte heimische Tiere wie etwa die Sumpfschildkröte ein Problem werden. Daraus aber zu schließen, dass man die Tiere flächendeckend bejagen müsste, halte ich für abwegig.“

Jagdstrecke fast verfünffacht

Waschbär Copyright Julia Hy-KellerDie starke Zunahme und weitere Verbreitung des ursprünglich amerikanischen Beutegreifers bestätigt Hohmann. Der Waschbär mache halt jetzt genau das, weshalb ihn die Jagdverwaltung dereinst in Hessen ausgewildert habe. Er besiedele günstige Lebensräume. „Er mag Wälder, er mag Wasser und er mag es nicht sehr kalt“, so Hohmann weiter, „und genau das haben wir in Mitteleuropa“. So wurden im Jagdjahr 2015/16 bundesweit  fast 130 000 Waschbären geschossen. Im Vergleich zu vor zehn Jahren habe sich die Zahl fast verfünffacht.

Jagd kann nicht regulieren

Die von den Jagdverbänden angestrebte Zurückdrängung der Art hält Hohmann für eine Selbstüberschätzung, da es die „flächendeckende Bejagung“ ja schon immer gegeben habe: „Und trotzdem haben die Jäger es nicht geschafft, der Ausbreitung der Tiere Herr zu werden. Ich kenne keinen einzigen Wissenschaftler oder Jagdexperten, der ernsthaft glaubt, den Tieren mit jagdlichen Mitteln Einhalt gebieten zu können. Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass der Waschbär sich bei uns wohl fühlt und wir ihn nicht regulieren können. Insofern müssen wir uns mit ihm arrangieren.“

Natürliche Reduktion erwartet

Der Wildbiologe ist sich aber sicher, dass in nächster Zeit Wildkrankheiten wie Räude und Staupe den Bestand auf natürliche Weise reduzieren werden. Die angebliche Gefahr für Haustiere hält Hohmann für einen weiteren Aspekt der Dämonisierung durch die Jagdverbände. Das weitere Vordingen der Kleinbären in den Siedlungsraum könne natürlich mit sich bringen, dass gelegentlich auch Haustiere mit deren Krankheiten infiziert würden. Da jedoch Räude und Staupe bei Hunden und Katzen in der Regel früh erkannt werden, kann die Tiermedizin erkrankte Haustiere problemlos heilen.

„worst case“-Szenario

„Das Schlimmste, was passieren kann“ so Hohmann weiter, „ist, dass er Gelbe Säcke aufreißt, seinen Kot in Erdbeerfeldern und Schrebergärten hinterlässt oder sich in Scheunen einnistet. Haustiere reißt er in der Regel nicht. Wenn man einen Waschbär im Hühnerstall findet, dann war der in den meisten Fällen hinter dem Hühnerfutter her.“

28.04.2017 / Hannes Dursch-Dewald  
 

(1) Dieses und alle weiteren Zitate aus: „Badische Zeitung“/Online-Ausgabe vom 20.04.2017

Den vollständigen Artikel der „Badischen Zeitung“ finden Sie im Internet unter: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/biologe-ueber-die-ausbreitung-des-waschbaeren--135843094.html